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Welche Erkenntnisse liefert die NEPS-Studie?

Unterschiede im Grammatikverständnis bei Kindergartenkindern verschiedener Herkunft

03.12.2015

Komplexe Satzstrukturen stellen vor allem für Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache eine Hürde für das Verständnis der deutschen Grammatik und – infolgedessen – für das inhaltliche Verständnis dieser Sätze dar. Insbesondere in Schulfächern, in denen nicht-sprachliche Kompetenzen geprüft werden (z. B. Mathematik), sollte daher auf eine möglichst einfache und kurze Formulierung von Testaufgaben geachtet werden.

©panthermedia / monkeybusiness

Für eine erfolgreiche Teilhabe an Bildung stellt – neben der Wortbedeutung – das Verständnis der deutschen Grammatik eine wesentliche Voraussetzung dar. Die syntaktische Kompetenz – also das korrekte Zusammenfügen von Wörtern zu Sätzen – spielt hier eine zentrale Rolle. Mangelnde grammatische Kompetenzen können sich negativ auf das schulische Lernen auswirken, da die sprachliche Erfassung und somit das Verständnis von Aufgabenstellungen, Texten oder Erklärungen erschwert ist. Insbesondere Kinder aus zugewanderten oder bildungsfernen Familien dürften mit Schwierigkeiten im Sprachverständnis zu kämpfen haben: Für sie bieten sich im häuslichen Umfeld weniger Gelegenheiten zum Erwerb komplexer Satzstrukturen bzw. anspruchsvoller Kompetenzen in der deutschen Sprache. Um späteren Folgen eines mangelnden Sprachverständnisses vorzubeugen, ist es wichtig, Einschränkungen im Grammatik- bzw. Satzverständnis bei Kindern frühzeitig zu erkennen und zu berücksichtigen.


Leistungsnachteile bei Satzverständnisaufgaben?

Dr. Karin Berendes, Dr. Wolfgang Wagner, Prof. Dr. Detmar Meurers und Prof. Dr. Ulrich Trautwein von der Eberhard Karls Universität Tübingen haben untersucht, ob Kindergartenkinder mit nicht-deutscher Familiensprache im Vergleich zu Kindern mit deutscher Familiensprache bei unterschiedlich anspruchsvollen Satzverständnisaufgaben Leistungsnachteile zeigen. Die gleiche Frage stellten sie beim Vergleich von Kindern aus bildungsfernen Familien und Kindern aus bildungsnahen Familien. Sofern die Forschenden Unterschiede feststellten, prüften sie, ob diese auf bestimmte grammatische Merkmale in den Beispielsätzen zurückgeführt werden konnten. Zur Erforschung dieser Fragestellung wurden Daten von ca. 2.000 Kindergartenkindern der NEPS-Studie „Frühe Bildung und Schule“ sowie Daten ihrer Eltern herangezogen. Die Leistungen der Kinder im Verständnis der deutschen Grammatik bzw. im inhaltlichen Verständnis von Sätzen wurden mittels einer gekürzten Form eines standardisierten Tests erfasst: Dabei wurden Sätze unterschiedlicher Komplexität von einer CD abgespielt; anschließend wurden die Kinder aufgefordert, aus einem Set von vier Bildern dasjenige auszuwählen, das zu dem gehörten Satz passt.


Einfache sprachliche Formulierungen helfen

Die Ergebnisse der Untersuchung belegen, dass Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache und Kinder aus bildungsfernen Familien geringere Leistungen bei Satzverständnisaufgaben erzielen als Kinder aus der jeweiligen Vergleichsgruppe. Für Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache zeigt sich darüber hinaus, dass ganz bestimmte Merkmale in komplexen Satzstrukturen zu Schwierigkeiten im Verständnis führen, so z. B. Sätze mit einer hohen Anzahl an Präpositionalphrasen1 (z. B. „Der Kamm ist unter dem Löffel“) oder Koordinationen2 (z. B. „Weder der Junge noch das Pferd rennt“) und auch besonders lange Sätze.

Für die Praxis lässt sich aus den Ergebnissen der Untersuchung Folgendes ableiten: Bei Schulfächern wie beispielsweise Mathematik, in denen nicht-sprachliche Kompetenzen überprüft werden sollen, sollte bei der Erstellung von Testaufgaben auf eine möglichst einfache sprachliche Formulierung geachtet werden. Um genauer untersuchen zu können, welche weiteren sprachlichen Merkmale eine Hürde für Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache darstellen oder ob sich innerhalb dieser Gruppe spezifische Unterschiede je nach Sprachgruppe (z. B. Türkisch, Russisch, …) feststellen lassen, sind weitere Analysen notwendig.
 

1 Unter einer Präpositionalphrase versteht man beispielsweise eine Konstruktion mit „unter…“.
2 Unter einer Koordination versteht man eine Konjunktion wie etwa „und“, „oder“, „aber“, …

Originalliteratur

Berendes, K., Wagner, W., Meurers, D. & Trautwein, U. (2015). Grammatikverständnis von Kindern unterschiedlicher sprachlicher und sozioökonomischer Herkunft. Frühe Bildung, 4(3), 126–134.

Zitierhinweis

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (2015, Dezember): Unterschiede im Grammatik- verständnis bei Kindergartenkindern verschiedener Herkunft (NEPS Ergebnisse). Bamberg, Deutschland.