Ergebnisse

Welche Erkenntnisse liefert die NEPS-Studie?

Besser in der Schule durch Erhalt der Herkunftssprache im Familienalltag?

26.07.2017

Ob Kinder aus Einwandererfamilien Vorteile haben, wenn die ihnen vertraute Sprache im Familienalltag beibehalten wird, ist bislang wenig erforscht. Eine Studie zeigt nun: Wenn entsprechende Deutschkenntnisse vorhanden sind, hat die Familiensprache keinen nachweisbaren Einfluss auf die schulischen Leistungen.

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Ob Kinder aus Einwandererfamilien bessere schulische Leistungen erzielen, wenn zu Hause Deutsch anstatt der Herkunftssprache gesprochen wird, ist umstritten. Untersuchungen der letzten Jahre zeigten: Ist die Familiensprache Deutsch, haben Jugendliche öfter die Gelegenheit, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und erzielen dadurch sprachliche Vorteile in der Schule. Beispiele aus den USA deuten aber darauf hin, dass Kinder aus bestimmten Herkunftsgruppen davon profitieren, wenn sie mit den Eltern in ihrer Muttersprache sprechen. Dahinter steht die Annahme, dass Jugendliche, die ihre Herkunftssprache erhalten, engere Beziehungen zu ihren Eltern aufbauen. Sind die familiären Beziehungen eng, unternehmen möglicherweise die Eltern größere Anstrengungen, ihre Kinder beim Bildungserfolg zu unterstützen. Gleichzeitig sind aber auch die Kinder eher bereit, elterliche Hilfe anzunehmen und sich an den hoch gesteckten Bildungszielen ihrer Eltern zu orientieren. Gerade wenn Eltern die Umgebungssprache nicht beherrschen, sind sie auf die in der Muttersprache zur Verfügung stehenden Feinheiten angewiesen, um ihre Kinder unterstützen zu können oder eigene Ambitionen zum Ausdruck zu bringen.

Ob sich die Ergebnisse aus den USA auch für Einwandererfamilien in Deutschland belegen lassen, untersuchte nun Bernadette Strobel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Konkret ging die Soziologin der Frage nach, ob die schulischen Leistungen tatsächlich besser sind, wenn zu Hause die Muttersprache gesprochen wird, etwa weil Eltern ihre Kinder besser beim Lernen unterstützen können. Strobel wertete hierzu anhand von Daten der NEPS-Studie „Schule, Ausbildung und Beruf“ die Sprachgewohnheiten und Mathematikleistungen von 1.662 Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern mit Migrationshintergrund aus. Zudem wurde erhoben, welche Anregung und Unterstützung die Jugendlichen vom Elternhaus erhalten, ob zu Hause etwa über Politik diskutiert wird oder inwiefern sich die Eltern bei der Ausbildungsplatzsuche engagieren. Die Analyse konzentrierte sich auf Zugewanderte der ersten und zweiten Generation aus den drei größten Herkunftsgruppen (Polen, Türkei und frühere Sowjetunion).


Schulische Leistungen hängen vor allem mit Deutschkenntnissen zusammen

Die Erhebung von mathematischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler mit Migrationshintergrund ergab ähnliche Ergebnisse bei denjenigen mit deutscher und denjenigen mit einer anderen Familiensprache – allerdings nur dann, wenn sie gleichermaßen gute Deutschkenntnisse hatten. Dabei konnte zwischen den drei untersuchten Herkunftsgruppen kein bedeutsamer Unterschied festgestellt werden. Das heißt: Weder bei Einwandererinnen und Einwanderern oder deren Kindern aus Polen, der Türkei oder aus der früheren Sowjetunion ließ sich ein über die Deutschkenntnisse hinausgehender Einfluss der Familiensprache auf die schulischen Leistungen nachweisen.


Auch Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen weniger deutlich als angenommen

Was den Bildungsstatus der Eltern anbelangt, so könnten laut dieser Studie Jugendliche aus höher gebildeten Elternhäusern noch eher von der Beibehaltung der Muttersprache profitieren als Jugendliche, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau aufwiesen – jedoch in geringerem Maße als angenommen. Vermutlich, so Strobel, sind die Unterschiede auch deshalb weniger deutlich, weil Eltern zwar einen hohen Abschluss im Ausland erworben haben können und daher in der Befragung einen hohen Bildungsstatus angaben, jedoch im Vergleich zu Menschen mit deutschen Bildungsabschlüssen möglicherweise weniger über die Anforderungen im deutschen Bildungssystem Bescheid wissen.

Letztendlich bestätigt diese Studie die besondere Bedeutung von Deutschkenntnissen für den schulischen Erfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sind ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden, bringt es keine messbaren schulischen Vorteile, zu Hause die Herkunftssprache zu verwenden – es schadet aber auch nicht.

Originalliteratur

Strobel, B. (2016). Does family language matter? The role of foreign language use and family social capital in the educational achievement of immigrant students in Germany. Ethnic and Racial Studies, 39(14), 2641–2663.

Zitierhinweis

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (2017, Mai): Besser in der Schule durch Erhalt der Herkunftssprache im Familienalltag? (NEPS Ergebnisse). Bamberg, Deutschland.