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Welche Erkenntnisse liefert die NEPS-Studie?

Vergleichbare Daten durch Anpassung von Fragebögen

21.08.2015

Die Anpassung von Fragebögen an die Bedarfe von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen hat sich als angemessen erwiesen: Vergleiche dieser Schülergruppe mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern an Hauptschulen sind möglich.

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Gruppenvergleiche gelten als ein zentrales Thema in der Bildungsforschung. Verschiedenste Merkmale können dabei als Vergleichsmomente herangezogen werden: die unterschiedliche Herkunft von Personen, das Geschlecht oder auch verschiedene Schulformen. Um entsprechende Vergleiche durchführen zu können, muss gewährleistet sein, dass die eingesetzten Messinstrumente bei unterschiedlichen Personengruppen ein und dasselbe Konstrukt auch in gleicher Art und Weise abbilden. Dabei versteht man unter einem Konstrukt ein Merkmal, das nicht direkt beobachtbar ist (z. B. die Motivation oder Fähigkeit einer Person), jedoch indirekt mit Hilfe von Indikatoren messbar gemacht werden kann.


Lesemotivation und akademisches Selbstkonzept im Vergleich

Lena Nusser (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V.), Prof. Dr. Claus Carstensen und Prof. Dr. Cordula Artelt (Professoren der Otto-Friedrich-Universität Bamberg) haben sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit es möglich ist, die Lesemotivation und das akademische Selbstkonzept bei unterschiedlichen Schülergruppen so zu erfassen, dass ein sinnvoll zu interpretierender Vergleich von Messwerten dieser beiden Gruppen gelingen kann. Untersucht wurde diese Fragestellung anhand von Daten der NEPS-Studie „Schule, Ausbildung und Beruf“. Als Vergleichsgruppen wurden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen (SPF-L) und Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen herangezogen. Die Erfassung der Lesemotivation und des akademischen Selbstkonzeptes erfolgte dabei anhand von Fragebögen. Zunächst musste allerdings der ursprünglich für die Gruppe der Hauptschülerinnen und -schüler konzipierte Fragebogen an die Bedarfe der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit SPF-L angepasst werden (z. B. Veränderungen des Fragebogens hinsichtlich der Länge, des Inhalts, der Reihenfolge der Fragen und des Darbietungsmodus, d. h. Vorlesen der Fragen anstatt eigenständige Bearbeitung des Fragebogens). Dies ist notwendig, da an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen eine äußerst gemischte Schülerschaft mit einer stark ausgeprägten Leistungsspanne zu finden ist. Das bedeutet diese Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich sehr bzgl. ihrer sprachlichen Fähigkeiten, ihres Lernumfangs und ihrer Aufmerksamkeitsspanne.


Erfolgreiche Anpassung des Fragebogens

An der Befragung nahmen 587 Schülerinnen und Schüler an Förderschulen und 745 Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen teil. Die Schülerinnen und Schüler befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in der 5. Jahrgangsstufe. Inwieweit eine vergleichende Erfassung der Lesemotivation und des Selbstkonzeptes bei verschiedenen Schülergruppen möglich ist, lässt sich im Rahmen von sogenannten Mehrgruppenvergleichen testen, d.h. der gleichzeitigen Schätzung eines Messmodells mit Daten von mehreren Gruppen und unter verschiedenen Bedingungen. Anhand bestimmter Modellmaße kann dann die Güte bzw. die Angemessenheit eines solchen Modells bestimmt werden und somit die Frage, ob die Messwerte der beiden Gruppen vergleichbar sind, zuverlässig beantwortet werden.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass für das Konstrukt der Lesemotivation die Erfassung an Förderschulen und Hauptschulen (mess-)äquivalent erfolgt ist. Somit können Unterschiede in den Messwerten der beiden Gruppen sinnvoll als Unterschiede in der Ausprägung der Lesemotivation interpretiert werden. Ein Vergleich der beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Lesemotivation ist – trotz unterschiedlich gestalteter Fragebögen – möglich. Bezüglich des Konstrukts des akademischen Selbstkonzeptes lassen sich Vergleiche der Messwerte zwischen den beiden Gruppen jedoch nur in Teilen sinnvoll interpretieren. Ein Vergleich der Ausprägung des akademischen Selbstkonzepts in seiner Gesamtheit zwischen Schülerinnen und Schülern an Förderschulen und Schülerinnen und Schülern an Hauptschulen wäre folglich nur bedingt aussagekräftig bzw. könnte verzerrt sein. Nichtsdestoweniger hat sich die Anpassung des Fragebogens an die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler mit SPF-L insgesamt als angemessen und lohnenswert erwiesen: Ein vorzeitiger Abbruch der Befragung sowie das Auslassen von Fragen konnte aufgrund der niedrigeren Lesebelastung vermieden werden.

Auch in Zukunft bleibt die Frage der Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit SPF-L beispielsweise im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern anderer Schulformen von zentraler Bedeutung für die Bildungsforschung. Daher bedarf es auch weiterhin vertiefender Analysen in diesem Bereich. Die Daten des NEPS können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Originalliteratur

Nusser, L., Carstensen, C. H. & Artelt, C. (2015). Befragung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen: Ergebnisse zur Messinvarianz. Empirische Sonderpädagogik, 7(2), 99–116.

Zitierhinweis

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (2015, August): Vergleichbare Daten durch Anpassung von Fragebögen: Ergebnisse zur Befragung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen (NEPS Ergebnisse). Bamberg, Deutschland.