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Welche Erkenntnisse liefert die NEPS-Studie?

Eltern und ältere Geschwister als Bildungsressourcen – inwieweit tragen diese zum Schulerfolg von jüngeren Geschwistern bei?

23.11.2015

Sowohl der Bildungserfolg älterer Geschwister als auch elterliche Unterstützungsleistungen in Form von Hausaufgabenhilfe oder Motivation bei schlechten Schulleistungen nehmen Einfluss auf die „Bildungsaspirationen“1 und das „Fähigkeitsselbstkonzept“2 jüngerer Geschwisterkinder. Das Streben nach einem hohen Bildungsabschluss (z. B. Abitur) sowie ein großes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wirken sich wiederum auf den eigenen Schulerfolg aus.

©Fotolia / WavebreakMediaMicro

In den letzten Jahrzehnten hat Bildung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der Zugang zu sozialen Positionen und der damit verbundene soziale Status innerhalb der Gesellschaft sind in immer höherem Maße vom Erwerb entsprechender Bildungsabschlüsse abhängig. Bisherige Forschungen haben zudem gezeigt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg junger Menschen besteht. In der Wissenschaft spricht man hier auch von dem „Prozess der Reproduktion sozialer Ungleichheiten durch die Familie“. Dass die Familie also eine zentrale Rolle in Bezug auf den Bildungserfolg der Kinder einnimmt, ist unumstritten. Wie genau sich dieser Prozess der Reproduktion sozialer Ungleichheiten jedoch gestaltet bzw. welche innerfamilialen Mechanismen hier wirksam werden, ist bislang noch nicht umfassend erforscht.

Mariana Grgic, Mitarbeiterin am Deutschen Jugendinstitut (DJI), und Prof. Dr. Michael Bayer (Evangelische Hochschule Nürnberg) haben solche innerfamilialen Mechanismen – insbesondere die Rolle der Bildungskarriere älterer Geschwister sowie die Rolle elterlicher Unterstützungsleistungen – anhand folgender Fragestellungen genauer untersucht:

1. Wie und an welcher Stelle wirken der Bildungserfolg bzw. die angestrebten Bildungsverläufe von älteren Geschwistern auf die „Bildungsaspirationen“, das allgemeine und schulische „Fähigkeitsselbstkonzept“ sowie den Bildungserfolg jüngerer Geschwister zu Beginn der Sekundarstufe 1?
2. Welchen Stellenwert haben elterliche Bildungsstrategien – z. B. direkte elterliche Unterstützung in Form von Hausaufgabenhilfe oder Ähnlichem sowie indirekte Unterstützung durch die Organisation von Nachhilfe – für die Einstellungen des Kindes zur Schule und für dessen Bildungserfolg?

Zur Untersuchung der Fragestellungen wurden Daten von Schülerinnen und Schülern der fünften Jahrgangsstufe sowie deren Eltern anhand von sogenannten Pfadanalysen3 ausgewertet (insgesamt 4.661 Befragte). Dabei handelt es sich um Daten aus Erhebungen der NEPS-Studie „Schule, Ausbildung und Beruf“. Als Indikator für den Bildungserfolg des Kindes wurde die Durchschnittsnote aus den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der fünften Jahrgangsstufe herangezogen.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass hohe „Bildungsaspirationen“ sowie ein positives „Fähigkeitsselbstkonzept“ – auch als „bildungsbezogener Habitus“ des Kindes bezeichnet – sich positiv auf den Schulerfolg des Kindes auswirken. Das Streben nach einem hohen Bildungsabschluss bei jüngeren Geschwisterkindern ist dabei umso wahrscheinlicher, wenn ältere Geschwister eine höhere Schulform besuchen oder bereits das Abitur erworben haben. Ebenfalls positiv wirkt sich die elterliche Unterstützung auf die „Bildungsaspirationen“ des Kindes aus sowie auf dessen Vertrauen in die eigenen Kompetenzen, zum Beispiel durch die Betreuung und Hilfe bei Hausaufgaben oder durch Zuspruch und Motivation bei schlechten Schulleistungen.

Die vorgestellten Ergebnisse leisten einen Beitrag zur Aufklärung der Rolle von Eltern und Geschwistern als Bildungsressourcen und helfen dabei, innerfamiliale Mechanismen im Prozess der Reproduktion sozialer Ungleichheit besser zu verstehen. Neben den genannten Faktoren sind zudem das Bildungsniveau, die Klassenzugehörigkeit4 und die kulturelle Partizipation der Eltern (Besuch von Museen, Konzerten, Theater, …) sowie – seitens der Kinder – die eigene Lesepraxis für den „bildungsbezogenen Habitus“ des Kindes von Bedeutung. Für ein umfassenderes Verständnis innerfamilialer Mechanismen sehen die Autoren für künftige Studien den Bedarf, auch Informationen über das Erziehungsverhalten, die Erziehungsziele sowie die Erziehungsstile der Eltern mit einzubeziehen.

 

1 Unter Aspiration ist ganz allgemein das Bestreben nach etwas zu verstehen; im Kontext von Bildung lassen sich (Bildungs-)Aspirationen beispielsweise als das Streben nach bestimmten Bildungsabschlüssen beschreiben.
2 Unter dem (allgemeinen) Fähigkeitsselbstkonzept versteht man das Wissen bzw. die subjektiven Einschätzungen einer Person im Hinblick auf ihre eigenen Kompetenzen; das schulische Fähigkeitsselbstkonzept bezieht sich dabei speziell auf den schulischen Bereich.
3 Pfadanalysen untersuchen statistische Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Variablen.
4 Berufsklassifizierung nach Erikson, Goldthorpe und Portocarero (EPG-Klassen) basierend auf Erwerbstätigkeitsstatus und Beruf der Eltern.

Originalliteratur

Grgic, M. & Bayer, M. (2015). Eltern und Geschwister als Bildungsressource? Der Beitrag von familialem Kapital für Bildungsaspirationen, Selbstkonzept und Schulerfolg von Kindern. Zeitschrift für Familienforschung, 27(2), 173–192.

Zitierhinweis

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (2015, November): Eltern und ältere Geschwister als Bildungsressourcen - inwieweit tragen diese zum Schulerfolg von jüngeren Geschwistern bei? (NEPS Ergebnisse). Bamberg, Deutschland.