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Welche Erkenntnisse liefert die NEPS-Studie?

Studie zum Übergang Ausbildung – Beruf: Verlaufen Biografien in Krisenzeiten anders?

09.05.2017

Der typische Übergang von der Schule in den Beruf steht auch in Krisenzeiten bei Schulabsolventinnen und -absolventen hoch im Kurs. Die Mehrheit junger Menschen absolvierte nach der Schule zunächst eine Ausbildung, um dann in einen Beruf zu starten. Gleichzeitig zeigte sich, dass Menschen mit niedrigem oder gar keinem Schulabschluss immer häufiger von diesem Muster abweichen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Biografien von über 6.000 Menschen seit den 60er Jahren bis heute nachverfolgt hat.

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Die deutsche Berufsbildung genießt im Ausland einen guten Ruf. Verständlich – ist doch laut internationaler Vergleichsstudien die Anzahl der jungen Leute, die in Deutschland nach der Ausbildung eine qualifizierte Anstellung finden, deutlich höher als bei den europäischen Nachbarn. Doch selten gelingt in diesen Studien der Blick über den Tellerrand: Wie sieht es einige Jahre nach dem Berufseinstieg aus? Und inwiefern hat die allgemeine Situation am Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt die Lebensverläufe der letzten Generationen beeinflusst? Um solche Feinheiten herauszufinden, untersuchte ein Forscherteam nun Erwerbsbiografien von 6.273 Westdeutschen der Jahrgänge 1948 bis 1977 – Männer und Frauen also, die zwischen dem Ende der 60er- und 90er-Jahren unter sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen in den Beruf starteten.

Dr. Christian Brzinsky-Fay (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und Prof. Dr. Heike Solga (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Institut für Soziologie an der Freien Universität Berlin) nutzten in ihrer Studie Umfragedaten der NEPS-Erwachsenenstudie. Um herauszufinden, ob die Bildungs- und Berufslaufbahnen der Deutschen tatsächlich so geradlinig verliefen wie angenommen, ermittelte das Forscherteam in den Lebensverläufen der Befragten Ausbildungs- und Erwerbszeiten, aber auch Unterbrechungen im Berufsleben, etwa durch Arbeitslosigkeit oder Familiengründung. Im Gegensatz zu anderen Studien dieser Art berücksichtigten Brzinsky-Fay und Solga in ihren Analysen auch die Lage am Arbeits- und Ausbildungsmarkt der vergangen Jahrzehnte.


Berufsausbildung hat auch in Krisenzeiten Priorität

Die Ergebnisse der Studie zeigten zunächst: Generationen, die in Krisenzeiten in das Berufsleben starteten, weisen ähnliche Bildungs- und Erwerbsverläufe auf wie Schulabgängerinnen und Schulabgänger in wirtschaftlich besseren Zeiten. Sie waren weder häufiger arbeitslos, noch war ihr Werdegang besonders häufig von beruflichen Wechseln geprägt, aber sie starteten später ins Berufsleben. Der Grund: Bei Generationen mit schlechteren Aussichten auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz war die Ausbildungsphase länger.


Umwege bei Schulabgängerinnen und Schulabgängern mit niedrigen Abschlüssen

Gleichzeitig stellte die Studie eine deutliche Tendenz fest: Junge Menschen mit niedrigerem oder gar keinem Schulabschluss liefen besonders häufig Gefahr, vom typischen Werdegang abzuweichen. Zwar absolvierte die Mehrheit von ihnen eine Ausbildung und fand einen Job, jedoch taten sie dies weitaus häufiger auf Umwegen oder mit Unterbrechungen als ihre Altersgenossen, etwa durch Kurse, die sie auf eine berufliche Ausbildung vorbereiteten (das sogenannte Übergangssystem) oder auch durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Diese Tendenz zeigten Brzinsky-Fay und Solga in allen untersuchten Generationen, weitestgehend unabhängig also von der Lage am Arbeits- und Ausbildungsplatzmarkt.


Untypische Bildungsverläufe genauer beleuchten

Mit der Studie konnte das Forscherteam feststellen, dass auch in Zeiten ungünstiger Startbedingungen Männer und Frauen durchaus stabile Bildungs- und Erwerbsverläufe aufwiesen. Anders ausgedrückt: Tatsächlich begann die Mehrheit der Befragten in den letzten Jahrzehnten eine Berufsausbildung oder studierte, gefolgt vom Einstieg in den Beruf. Abweichungen von typischen Mustern gibt es aber – und diese sollten durch zukünftige Studien genauer beleuchten werden, so die Empfehlung.

Originalliteratur

Brzinsky-Fay, C. & Solga, H. (2016). Compressed, postponed, or disadvantaged? School-to-work-transition patterns and early occupational attainment in West Germany. Research in Social Stratification and Mobility, (46), 21–36.

Zitierhinweis

Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (2017, April): Studie zum Übergang Ausbildung – Beruf: Verlaufen Biografien in Krisenzeiten anders? (NEPS Ergebnisse). Bamberg, Deutschland.